Eingreifen oder nicht eingreifen? Das ist die Frage im südböhmischen Nationalpark Šumava / Böhmerwald. Um die richtige Antwort wird schon seit Jahren gestritten. Denn in der Šumava treibt der Borkenkäfer sein Unwesen. Und in den ökologisch wertvollsten Gebieten des Nationalparks, den so genannten „Nicht-Eingriffszonen“ lässt man ihn gewähren. Die Forstwirtschaft fürchtet die Ausbreitung der Käfer und fordert daher ihre intensive Bekämpfung. Naturschützer hingegen setzen auf die natürliche Selbsterneuerung des Waldes. Sie haben nun Rückendeckung erhalten von einer Expertenkommission der Tschechischen Akademie der Wissenschaften.
Der ökologische Wert des Nationalparks Šumava sei bedroht, und zwar durch die ständigen Wechsel in der Strategie zu seiner Erhaltung, sagt Radim Šrám. Er ist der Vorsitzende einer Kommission von Umweltexperten der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. In einer am Mittwoch veröffentlichten Analyse machten Šrám und sein Team auch gleich klar, welche Strategie sie für die richtige halten, nämlich die bestehende. Seit Jahren werden etwa 20 Prozent des Nationalparks Šumava, die ökologisch wertvollsten und sensibelsten Bereiche, sich selbst überlassen. Das müsse so bleiben, sagt Radim Šrám:
„In den so genannten ‚Nicht-Eingriffszonen’ beginnt schon jetzt eine natürliche Erneuerung des Baumbestandes. Das ist aber eine langfristige Angelegenheit. Es dauert Jahrzehnte bis die Erneuerung des Waldes abgeschlossen ist.“
Das Gutachten der Akademie der Wissenschaften ist ein Schlag ins Gesicht für die Forstwirtschaft im Böhmerwald. Denn in den „Nicht-Eingriffszonen“ werden nicht nur die Bäume sich selbst überlassen, sondern auch die Borkenkäfer. Die finden in den Schutzzonen prächtige Bedingungen vor, seit dort die Stürme „Kyrill“ und „Emma“ gewütet haben. Die Forstbetriebe fordern deshalb die Bekämpfung der Borkenkäfer in den Schutzzonen und haben einen Fürsprecher in Ex-Premier Miloš Zeman, der mit seiner neuen „Partei der Bürgerrechte“ (SPOZ) um den Einzug ins Abgeordnetenhaus kämpft:
„Die Schuld der Nationalparkverwaltung besteht darin, dass sie die vom Borkenkäfer befallenen Bäume nicht entfernt, wie es traditionell üblich war. Deshalb sind jetzt schon 6000 Hektar Wald beschädigt.“
Außerhalb der Schutzzonen, also in 80 Prozent des Nationalparks, werde der Borkenkäfer ohnehin schon intensiv bekämpft, entgegnet Radim Šrám. Beim Erhalt der einzigartigen Natur im Nationalpark Šumava wünscht er sich von der Politik mehr Vertrauen in die Arbeit der Wissenschaftler:
„Es ist unglücklich, wenn jemand langfristige Angelegenheiten im Hinblick auf eine nur vierjährige Legislaturperiode lösen will.“
Naturschützer verweisen zudem auf die Erfahrungen auf der anderen Seite der Grenze im Nationalpark Bayerischer Wald. Dort beginnt in den Schutzzonen nämlich wieder ein Mischwald zu wachsen. Und damit verringere sich bereits deutlich die Borkenkäferpopulation. Denn der Käfer mag lieber die Fichten-Monokulturen, die die Forstwirtschaft seinerzeit künstlich angelegt hat.
Quelle: CZ Rundfunkt, Radio Prag, 27.05.2010