Seit etwa zwei Jahren sorgt der Nationalpark Böhmerwald immer wieder für Schlagzeilen in den tschechischen Medien. Die Naturschützer bemühen sich, die einzigartige Natur vor den Holzverarbeitern und Plänen der Bauunternehmer zu schützen. Sie stoßen jedoch vorwiegend auf Unverständnis der dortigen Bevölkerung. Die tschechische Öffentlichkeit hat in diesen Tagen die Möglichkeit, die Erkenntnisse der Naturfreunde aus dem Böhmerwald mit denen ihrer Kollegen vom Nationalpark Bayerischer Wald zu vergleichen. Auf Einladung der tschechischen Umweltbewegung haben einige deutsche Experten ihre Erfahrungen in Prag vorgestellt.
Die vom Borkenkäfer befallenen Wälder können sich ohne Kahlschlag verjüngen. Dies geht aus den Analysen der Mitarbeiter des Nationalparks Bayerischer Wald hervor. Zu ihnen gehört auch Marco Heurich. Er betont, dass sich das in den Kernzonen liegende Totholz zudem positiv auf die Biodiversität des Waldes auswirke:
„So wie die Fichtenverjüngung sich auf diesen Flächen gut entwickelt, entwickeln sich auch die Insektenarten. Die Tier- und Pflanzenarten, die an die Fichte angepasst sind, profitieren vom Borkenkäfer. Wir können den Borkenkäfer als Schlüsselart für die Diversität in diesen Waldsystemen bezeichnen. Es ist keine ökologische Wüste entstanden, sondern ein sehr vielfältiger Wald.“
Genau darum tobt der Streit im Nationalpark Böhmerwald in den letzten Jahren: wie soll in den vom Borkenkäfer befallenen Gebieten vorgegangen werden?
Die Erfahrungen aus Bayern stützen die tschechischen Umweltschützer, die gegen den massiven Holzschlag in den Kernzonen des Parks sowie gegen den Einsatz von Chemie protestierten. Jakub Hruška leitet den so genannten „Schattenbeirat der Experten“ für den Nationalpark Böhmerwald. Der Schattenbeirat entstand, nachdem der „richtige“ Expertenbeirat aufgelöst worden war. Hruška sagt, er sei den deutschen Kollegen dankbar, dass sie die tschechischen Umweltfreunde unterstützen:
„Wir bemühen uns darum, die Natur des Nationalparks Böhmerwald so zu schützen, dass es wenigstens teilweise den internationalen Kriterien entspricht, die für Nationalparks gelten. Und internationale Unterstützung gehört zu jenen Mitteln, die zu einer Verbesserung der auf tschechischer Seite bei weitem nicht idealen Situation führen kann.“
Professor Hubert Weiger ist Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz in Deutschland. Die Schritte der tschechischen Nationalparkleitung bereiten ihm seit etwa zwei Jahren Sorgen:
„Die Gefahr, dass der Nationalpark Šumava den internationalen Kategorien nicht gerecht wird, ist sehr real. Hier müssen alle Alarmglocken läuten. Wir wissen heute, dass das Nichteingreifen in den Kernzonen zu einer deutlichen Beschleunigung des Wachstums der nachwachsenden Generationen von Bäumen führt. Der neue Wald kommt wesentlich rascher, als wen wir ihn pflanzen. Und er kommt umsonst. Dies den Menschen zu vermitteln ist eine der größten Bildungsaufgaben, die wir haben.“
Quelle: Radio Prag & Süddeutsche Zeitung, 01.2013